Gutes und Schlechtes in einem: Die zwei Seelen der Maroltingergasse

Seit wir zurück aus Brüssel sind, studieren wir die Wiener Straßen und ihre Fahrtauglichkeit für Familien und Kinder. Als Beispiel dafür, wie gute Fahrradinfrastruktur aussehen könnte, und wie sie nicht sein sollte, zeigen wir die Maroltingergasse im Westen Wiens. Denn zwei Seelen wohnen in ihrer Brust: von zweispurigem Autoverkehr mit Straßenbahn und keinem Platz für den Radverkehr bis hin zu einem räumlich getrennten Radweg bietet diese Straße beides.

Die Maroltingergasse

Die Maroltingergasse ist eine wichtige Nord-Süd-Verbindung im Westen Wiens. Gemeinsam mit der anschließenden Leyserstraße im Süden und der Sandleitengasse im Norden verbindet sie die Alszeile mit der Hütteldorfer Straße. Entlang dieser Nord-Süd-Verbindung liegt das Gymnasium Maroltingergasse, die Graphische, und sicher noch eine Reihe sonstiger Kindergärten und Schulen. 

 

 

Eines unserer Kinder geht in das Gymnasium in der Maroltingergasse. Aber während er in Brüssel immer mit dem Rad in die Schule fuhr, tut er das in Wien nicht und kann ich ihm das hier auch nicht ruhigen Gewissens empfehlen. Nebenbei dürfte er ja auch nicht, weil noch nicht 12. 

Die zwei Seelen in einer Straße

Auf der Südseite der Verbindung befindet sich ein räumlich getrennter Fahrradweg. Keine Best Practice Lösung, weil der Radweg bidirektional befahren wird (und warum das nicht gut ist, wird vom Copenhagenize-Blog gut erklärt), aber zumindest Good Practice und auf jedenfall ausreichend geschützt von den sich bewegenden Massen.

 

 

Auf der Nordseite – also Maroltingergasse und Sandleitengasse – ist dafür Infrastrukturwüste: Hier teilt man sich die Straße mit der Straßenbahn, dem zweispurigen Autoverkehr und vielen parkenden Autos.

Arrogance of Space.

Platz genug für einen räumlich getrennten Fahrradweg wäre auf jeden Fall. Dieser wird bislang allerdings von fahrenden und vielen stehenden Autos eingenommen ("Arrogance of Space" nennt sich das übrigens). Einige Engstellen gibt es durch die Straßenbahnhaltestellen, aber dafür könnten Lösungen gefunden werden. Querparkplätze könnten zumindest in Parallelparkplätzen umgewandelt werden. Einige Parkplätze müssten wohl entfernt werden. Der stehende Verkehr müsste damit dem fließenden Radverkehr weichen. Mon dieu!

 

 

Jedenfalls könnte mit ein wenig Willen und etwas Budget eine Infrastukturwüste in eine funktionierende Nord-Süd-Verbindung umgewandelt werden – wie die Maroltingergasse weiter südlich bereits zeigt. Schulen könnten in die Radinfrastuktur eingebunden werden und Eltern könnten ihre Kinder ruhigen Herzens mit dem Fahrrad in die Schule fahren lassen. 

InfrastukturplanerInnen! Fahrt mit Kindern!

Es ist die Aufgabe einer Stadt, Fahrradinfrastruktur in einer Qualität bereit zu stellen, die Kindern das sichere Fahren ermöglicht. Naturgemäß ist die Diskussion über die Verteilung des städtischen Raumes eine politische. Um dem Autoverkehr möglichst wenig Platz weg nehmen zu müssen, werden gegenwärtig daher gerne Mehrzweckstreifen gebaut.

 

Mehrzweckstreifen sind sicher besser als gar nix. Aber liebe PlanerInnen: würden Sie dort mit Ihren Kindern fahren? Um intuitiv gute von schlechter Fahrradinfrastruktur zu trennen, reicht ein einfacher Test, nämlich das Fahren mit Kindern. Überall dort, wo schnell sich bewegende schwere Massen räumlich von den eigenen Kindern getrennt sind, fühlt sich das Fahren mit Kindern sicher und stressfrei an.

 

 

Die Maroltingergasse ist jedenfalls breit genug, dass mit gutem Willen und etwas Budget die Straße fair geteilt werden kann. Den politischen Mut braucht es aber schon. 

 

Wie gute Infrastruktur ausschauen kann, zeigen - wer sonst - die NiederländerInnen, und mehr dazu hier